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Experten sind der Meinung, dass neue Arbeitsplätze unnötig sind


Interview

Bällebad und Co. Experte: „New-Work-Büros sind Bullshit“

Mitarbeiter schaukeln bei SAP in Potsdam: Ist das Bullshit?

Mitarbeiter schaukeln bei SAP in Potsdam: Ist das Bullshit?

© picture alliance / photothek | Michael Gottschalk

Die ganze Business-Welt redet von New Work. Doch ganz viele haben den Sinn dahinter überhaupt nicht verstanden, kritisiert Carlos Frischmuth, Verfasser des Buches „New Work Bullshit“, im Interview

Capital: Herr Frischmuth, die ganze Business-Welt redet von New Work. Sie bezeichnen das in Ihrem Buch als Bullshit. Was genau stört Sie?
CARLOS FRISCHMUTH: Ich möchte mit meinem Buch vor allem eine Warnung an Unternehmen und Führungskräfte senden. New Work allgemein ist sicherlich kein Bullshit, nur was viele Firmen daraus machen, ist es. Der Begriff ist inzwischen so schwammig, dass dort jeder etwas anderes reininterpretiert und Unternehmen Maßnahmen als New Work bezeichnen, die es nicht sind und die auch nicht die gewünschten Ergebnisse bringen.

Sie betonen in Ihrem Buch, dass New Work seine Ursprünge bereits in den 1970er-Jahren hatte. Das klingt in der Tat alles gar nicht mehr so neu.
Den Begriff hat der Philosophie-Professor Frithjof Bergmann in den 70er- und 80er-Jahren geprägt. Selbstverständlich verändert sich unsere Arbeit über die Jahre ständig. Der Bullshit-Faktor ist aber gerade in Deutschland in den 2020er-Jahren so richtig losgegangen. Spätestens seit während der Corona-Pandemie viele ins Homeoffice gegangen sind, war das auf einmal New Work. Der Universalbegriff wurde auf einzelne Faktoren reduziert.

Aber ist das denn so schlecht?
Wenn ich als Arbeitgeber New Work lediglich auf flexibles Arbeiten oder hübschere Offices reduziere, ziehe ich daraus die falschen Schlüsse. Flexibles Arbeiten ist doch kein Universalheilmittel für eine teilweise kranke Arbeitswelt. Mal ganz davon abgesehen, dass es auch viele Jobs gibt, für die eine Arbeit von zu Hause aus auch nicht einmal in Frage kommt.

Ein Kicker im Büro und flache Hierarchien sind doch ganz nett.
Das wird auch ständig mit New Work verbunden und da könnte ich an die Decke gehen. Der eine oder andere sagt inzwischen, dass er über den Kicker schon längst hinweg ist und schon eine Tischtennisplatte hat. Was soll das? Sind wir im Büro oder bei „Schöner Wohnen“? Ein Büro kann beim emotionalen Wohlfühlfaktor niemals mit dem eigenen Zuhause mithalten. Also versucht es erst gar nicht. Und was hat von so einer Maßnahme ein Busfahrer oder ein Polizist? New-Work-Büros sind definitiv Bullshit im Sinne einer echten und besseren Arbeitswelt, es ist maximal eine Art Lametta. Und es ist auch nicht die Veränderung, die unsere Arbeitswelt wirklich braucht.

Was heißt denn New Work für Sie?
Im ersten Schritt geht es darum, die Frage zu stellen, warum Menschen überhaupt arbeiten. Sind die Bedürfnisse klar, lassen sich auch neue, passende Arbeitsformen entwickeln. Und dazu gibt es drei entscheidende Faktoren: Führung, Kommunikation und Kultur. Flache Hierarchien und agiles Arbeiten können zum Beispiel sinnvoll sein, sie müssen es aber nicht. Denn es muss zur Kultur des Unternehmens passen. Agiles Arbeiten heißt übrigens auch nicht, dass jeder machen kann, was er will. Agiles Arbeiten funktioniert nur, wenn vorher klare Regeln festgelegt wurden. Ein weiteres Beispiel: Das Credo „Wir sind alle eine große Familie“ klappt in einer Firma auch nur bis zu einer gewissen Größe, beispielsweise bis zu 250 Mitarbeitenden. Bei großen Unternehmen, die deutlich mehr Angestellte haben, kann das auch recht zu einem künstlichen Bullshit-Effekt werden.

Ist es überhaupt möglich, New-Work-Konzepte für alle Mitarbeiter eines Unternehmens zu entwickeln? Der Arbeitsalltag eines Lkw-Fahrers dürfte sich ja über die vergangenen Jahre kaum verändert haben.
Klar geht das. Das kann zum Beispiel eine App für die Fahrer sein, mit der sie ihre Schichten einteilen. Das funktioniert genau so auf der Produktionsfläche in einem Industriebetrieb. Wer ausfällt oder spontan nicht kann, der kann das dann direkt mit seinem Kollegen über den digitalen Schichtplan klären. In diesem Fall ist also die Digitalisierung ein großer Hebel für echtes New Work. Und die Mitarbeitenden werden auch zufriedener in ihrem Job.

Das klingt alles deutlich komplizierter als der Kickertisch. Wie steht’s denn um das Thema Geld?
Da bricht sich aktuell ein Narrativ. Die vergangenen Jahre haben alle Unternehmen nach ihrem Sinn, ihrem Purpose gesucht. Im Sinne von New Work muss man das den Beschäftigten anbieten, der musste stimmen, das Gehalt war weniger wichtig, dachte man. Das ist schon wieder Unsinn. Profan gesagt: Die Kohle muss stimmen! Das zeigen viele Studien, gerade auch für die jüngeren Generationen. Sind die materiellen Fragen geklärt, machen sich Menschen Gedanken über das Unternehmen, für das sie arbeiten. Und erst dahinter wird es entscheidender, wie ein Unternehmen sich definiert und es kommuniziert.

Wie meinen Sie das?
Nehmen wir mal als Beispiel einen Baukonzern, der sich sowas auf die Fahnen schreibt wie „Build a better world“. Glauben Sie, das ist für den Bauarbeiter relevant, der gerade den Asphalt verteilt? Dann sagt doch einfach: „Wir machen gute Straßen“. Das wäre der deutlich ehrlichere Sinn des Unternehmens. Bei vielen Firmen lässt sich auch einfach kein intelligenter Purpose aufbauen. Dann sollten sie es lassen. Ansonsten wecken sie Erwartungen, die sie nicht erfüllen können. Das geht dann nach hinten los.

Viele Firmen suchen händeringend nach Personal und wollen deshalb als attraktiver Arbeitgeber auftreten. Was sagen Sie einem Mittelständler, der deshalb auch mal was mit New Work machen möchte?
Dass die Veränderung im Unternehmen erstmal beim Chef anfangen muss. Ich kann zum Beispiel nicht eine offene Bürotüre predigen und es selbst dann nicht vorleben. Ein kultureller Wandel kann helfen, muss aber zur Firma passen – und das ist dann gewiss nicht der Kicker. Die eigenen Beschäftigten und Führungskräfte müssten von der neu angedachten Arbeitsmethode überzeugt sein. Dann werben sie automatisch auch für neue potenzielle Mitarbeitende. Die zuvor erwähnten Ansatzpunkte Führung, Kultur und Kommunikation lassen sich passenderweise als FKK abkürzen. Wer sich nicht darum kümmert, steht nackt da.

Carlos Frischmuth ist Managing Director beim internationalen Personaldienstleistungskonzern Hays, wo er die Bereiche Public Services, Legal und Healthcare verantwortet. Außerdem ist er Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes für selbständige Wissensarbeit. 2021 veröffentlichte er das Buch „New Work Bullshit: Was wirklich zählt in der Arbeitswelt“

#Themen
  • Büro
  • New Work

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Author: Blake Mcdaniel

Last Updated: 1698618482

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